Den Schlusspunkt setzt ein Anderer .....
Biografie
Erinnerungen und Lebensjournal eines Unbekannten (Auszug)

 

                                                                                    Prolog
Vorsicht! Nicht weiterlesen, wer eine Liebesgeschichte erwartet. Oder einen Roman. Als Krimi könnte man die Erinnerungen aber durchaus sehen.
An meinem Lebensweg stehen lauter Fragezeichen. Oft werde ich konfrontiert mit dem Wort warum? Ich habe darauf noch keine zufriedenstellende Antwort erhalten. Auch nicht, nachdem ich in das von Grün umgebene Dorf gezogen bin, ganz in die Nähe des Sohnes. Noch habe ich die ersehnte Ruhe nicht gefunden. Mein wahrer Freund ist der Computer, dem ich Fragen und Gedanken anvertrauen kann. Doch Entgegnungen auf gewisse Anfragen kann er mir auch nicht geben. Vielleicht die Allwissende? neuartige IT? Oder der Leser dieser Zeilen?
Weshalb tue ich mir das an, das hier niederzuschreiben? Es ist weder ein Roman, welcher Leseratten begeistern soll noch die Lebensgeschichte eines bekannten Menschen. Es ist die Vita eines Handwerkers, die sich durch dessen Leben zieht. Es scheint bei der Lektüre, als wenn der Biograf Miseren förmlich anzieht, wie das Licht die Motten. Es soll mit Kalamitäten aber keinesfalls Effekthascherei betrieben werden. Es ist die Wirklichkeit, die beschrieben wird. Und die kann mancher aus dem Familienverband leider nicht vertragen. Was aber nicht bedeuten soll, dass nur „die anderen“ immer die Schuld tragen.


Eigentlich sollte es nur eine banale Biografie sein. Eine Aneinanderreihung von Tatsachen, soweit sie mir in Erinnerung geblieben sind. Denn der Beginn meiner Zeitrechnung liegt jetzt, im Juni 2023, mehr als 86 Jahre zurück. Heißt nicht, dass alles vergessen ist. Denn das Langzeitgedächtnis speichert vieles ... Gelegentlich allerdings irritiert es auch.
Die Anfänge zu dieser Lebensgeschichte drömelten lange vor sich hin. Lagen mir in Dollbergen zwar ständig vor Augen, ohne aber weiter bearbeitet worden zu sein. Mit 75 hatten wir die erste Beziehungskrise, die mich veranlasste, mit dem Aufschreiben anzufangen. 2014 dann hat mich der neuerliche Umbruch erwischt, und so finde ich Zeit, mich erneut daran zu versuchen. Nichts ist verfälscht oder dramatisiert. Ich schreibe so, wie es sich zugetragen hat. Manchmal sehr ausführlich, dann mal kurz und bündig. Wie der Leser dazu steht, muss jeder für sich entscheiden.
Aber zu der Vita gehören auch diverse Reisen ins Ausland, die ich im fortgeschrittenen Alter unternahm und die den eigenen Horizont erweiterten. In jungen Jahren war der aus den verschiedensten Gründen sehr begrenzt. Das macht das Schmökern interessanter. Und hellt manche negativen Eindrücke auf, wie ich überzeugt bin.
Mit den vorliegenden Seiten sollte sich also nur befassen, wer sich unvoreingenommen mit dieser Vergangenheit beschäftigen mag und ehrlich gegen sich selber ist. Ich urteile nicht. Bringe nur in Erinnerung, was passierte. Auch ich komme nicht immer gut weg dabei.
Der geneigte Bücherwurm hält nur die Chronologie von Ereignissen in Händen. Aber sie gibt Einblick in eine ganz normale deutsche Familie aus den 30ern bis in die Zeit, als der Überfall Russlands auf die Ukraine erfolgte. Doch das Erleben erscheint oft alles andere als banal.
Es möge auch nur weiterlesen, wer Interesse hat an einem Lebensweg, der von etlichen Problemen durchsetzt ist. Manches habe ich meinen in pubertären Zeiten geschriebenen Tagebüchern entnommen, die ich über damalige Radreisen zu Papier brachte. Da kommt es mir selbst unwirklich vor, wenn von den vielen Tageskilometern berichtet wird, die wir als Jugendliche mit dem Rad zurücklegten. Aber es wird schon seine Richtigkeit haben ... Und der Schreibstil hat sich sehr geändert. Lässt sich hier aber nur ausschnittsweise wiedergeben. Aber vielleicht interessieren ja doch die rudimentären Reiseberichte aus fernen Regionen. Und wenn der zündende Funke übergesprungen sein sollte, kann man darüber sogar die daraus entstandenen Bücher lesen. Damit sind wahre Erlebnisse mit Fiktion verbunden. Auf der Webseite www.romane-undreisen.de wird man findig.
Auch aus der Schulzeit in der Schule an der Grambker Heerstraße in Bremen habe ich noch Hefte und Zeichnungen. Lange nicht mehr darin geblättert, aber für diese Chronik sehr interessant, wie ich denke.
Ich lernte Orthopädie-Schuhmacher, weil ich die Schaffenskraft des Vaters bewunderte und dessen Erfolg weiterführen und steigern wollte.

Eine erste Version der Biografie druckte ich mit dem PC-Drucker aus und stellte daraus eigenhändig ein Buch zusammen. Vier Exemplare waren es. War mit viel Arbeit und gutem Willen verbunden und wurde trotzdem als Geschreibsel abgetan. Hatte mich tief getroffen. Zum Nachlesen noch vorhanden.
Sicher, handwerklich war es eine Lehrlingsarbeit. Aber die Idee war honett. Und es war die Initialzündung zum Schreiben wirklicher Romane.
Die Überarbeitung der Urversion begann ich am 16.03.2023. Vielleicht berichte ich in unterschiedlichen Fassungen mit und ohne Fotos. Bin mir noch nicht ganz im Klaren darüber.
Und dann las ich ein Büchlein von Heidi Dahlsen. Es gibt offenbar weitere Familien, in denen der Wurm drin steckt. Es ließ mich die eigene Darstellungsweise überdenken.

 

Mutter wurde am 12.03.1912 in Bremen, der Vater am 20.11.1906 in Gurkingen, (Gorki Zadanje, Polen) geboren. Der frühe Lebensweg der beiden ist mir aber nahezu unbekannt geblieben. Davon wurde kaum gesprochen. Ich weiß nur, dass Vater Fritz unter ganz unwürdigen Verhältnissen in Lübz Schuhmacher lernte, wie er gelegentlich von sich gab. Und dass er Zwiebelgeschmack wohl mochte, auf den Stücken herumzubeißen verursachte aber Ekel bei ihm. Er hat sich nie für Sport interessiert und war, der Zeit verpflichtet, auch stets vollständig bekleidet. Ich sah ihn nie im Freizeitlook. Oberkörperfrei habe ich ihn nie wahrgenommen. Die einzige Abwechslung war sein Gesangverein, aber Singen hörte ich ihn dennoch nicht. Nur Okasa fand ich einmal – hinter einem Schrank in der Werkstatt versteckt.

Ich war bemüht, mehr Eigenarten an ihm zu entdecken. Gibt aber kaum welche, die mir bekannt wurden. Er war und blieb für mich ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Trotzdem bewunderte ich ihn im kindlichen Alter.
Mutter erlernte das Friseurhandwerk bei Opa Klages, hatte den Beruf aber nur ungern ausgeübt. Aber sie konnte sich dem Willen ihres Vaters nicht verweigern.
Wie und weshalb Vater den Weg nach Bremen fand, weiß ich nicht. Aber dass er als Geselle bei Ruscher in der Laubenstraße arbeitete, gleich neben Opas Friseurgeschäft, davon wurde gesprochen. Da hat er sich wohl seine wenigen Haare schneiden lassen und nebenbei die Frau des Lebens kennengelernt. Um 1930 betrieb er selbst oder als Filialleiter? eine Schuhmacherwerkstatt im Hause des Schlachters Boes in Burg an der Lesumbrücke. Er war ein fleißiger Mensch. Schaffte Tag und Nacht und wird für die damalige Zeit gut verdient haben. Schon 1934/35 war er deshalb in der Lage, mithilfe eines Darlehens oder einer Hypothek des Schwiegervaters ein Haus am Lesumdeich errichten zu können. Zu der Zeit kostete der Baugrund 0,95 RM pro m2. Und das ganze Haus? Keine Ahnung. Aber es war für die vormalige Zeit ein recht repräsentatives Gebäude.
Dorthin verlegte er Werkstatt und Wohnung, und dort verbrachte ich meine Kinder- und Jugendzeit.
Viel mehr weiß ich nicht vom Vorleben der Eltern. Ab und an nur wurde mal erzählt, dass ein Vetter in Ritterhude beim Verzehr von Pfannkuchen stets Kopfschmerzen bekam. Witzig. Was mögen die Schmerzen für einen Grund gehabt haben? Psychische Probleme?
Was ich auch nur nebenbei erfuhr: Opa war dreimal verheiratet. Über Hintergründe wurde in der Verwandtschaft, jedenfalls mir gegenüber, nie gesprochen. Irgendwann aber kamen bei mir Fragen dazu auf.
Eine Schwester von Opa Klages heiratete einen Daniel Hehl in Verden. Der besaß eine Tischlerei und ein Beerdigungsinstitut. Direkt am Verdener Dom. Da zimmerte er wohl so manchen Sarg. Der Mann war geschäftstüchtig.
Meine Eltern hatten einen guten Start, und bedingt durch die Aufbruchzeit vor dem Krieg ein für Schuhmacherverhältnisse bemerkenswertes Auskommen. Das hing zweifellos mit dem Fleiß Vaters zusammen. Es hat auch mich geprägt und bewogen, in dessen Fußstapfen treten zu wollen.
Habe ich seine Gene geerbt? Die könnte man teilweise als vorbildhaft, aber auch negativ bewerten. Er wurde 98 Jahre alt.
Angefangen, diese Chronik zu schreiben, hatte ich bereits 2011. Dann wanderte sie in die Schublade. Als sich aber abzeichnete, dass sich mein Verhältnis zu der zweiten Lebensabschnittsbegleiterin unschön entwickeln würde, erinnerte ich mich daran.
Da kam ich in einen Schreibflow. Nach dem Biografie-Debut schrieb ich sechs Romane. Gewöhnlich ist die Reihenfolge umgekehrt. Den Schluss bildet normalerweise die Lebensgeschichte. Aber an meinem Leben ist manches ungewöhnlich.

                                                                                           1936
                                                                         Werner, das Sonntagskind??
Mein Geburtsdatum ist der 06. September 1936. Ich wäre unter einem glücklichen Stern geboren. Sagte man. Ob das für mein späteres Leben zutraf? Muss jeder, der sich dieses Buch zu lesen traut, selber beurteilen.
Ich kam mit Kaiserschnitt zur Welt. Daran hab ich naturgemäß kein eigenes Erinnern. Soll aber da wohl schon ein schwieriger Fall gewesen sein.
Zu meiner frühen Kinderzeit fallen mir nur bruchstückhaft Erlebnisse ein. Doch je mehr ich nachdenke, fügen sich immer mehr der Puzzles dann zu einem zwar lückenhaften, aber mehr- oder weniger dramatischen Ganzen.
Als Kind lag ich wiederholt mit Lungenentzündung im Bett. Mutter hat mich sehr umsorgt. Sie wandte alte Hausmittel an. Nach dem Trinken von Holundersaft, mit lauwarmen Brustwickeln, musste ich im Bett schwitzen. Da dachte ich, ich müsse sterben. Lebertran hatte ich zu schlucken und „Popo meten“, wie sie sagte. Das alles war eine Prozedur. Hatte ich aber zu ertragen, denn es bestand der Verdacht, dass ich TB haben könnte, weil diese Lungenkrankheit auch eine Verwandte hatte. Bei der saß ich oft auf dem Schoß. Die ist daran verstorben.
Opa war Friseurmeister. Er soll ein kritischer und manchmal herrischer Mensch gewesen sein. Ich habe ihn allerdings so nicht erlebt. Er wird aber wohl schon über einige Eigenmittel verfügt haben, wenn er Vater -oder seiner Tochter- ein Darlehen zum Hausbau zur Verfügung stellte. Friseure arbeiteten ja auch sonntags. Zum obligaten Kirchgang damals musste man gut rasiert und frisiert sein. Es erleichterte oder ermöglichte überhaupt den Start des Schwiegersohnes in dessen selbstständiges Berufsleben. Dazu kam Arbeitsamkeit, die Fürsorge für die Familie. Aber über all der Arbeit vergaß er die Kommunikation, besonders mit mir. Ich war stolz auf ihn, aber habe ihn oft auch nicht ausstehen können. Ein friedliches Vater-Sohn-Verhältnis haben wir leider nie gehabt.
Er war ein guter Handwerker, aber einen Gesellen-geschweige denn Meisterbrief hatte er wohl nicht. Habe als einzige Urkunde nur die Mitgliedschaft in der Handwerkskammer gesehen. Die hing demonstrativ an der Wand. Aber kommt es darauf an, wenn man sein Gewerbe versteht? Da fragte ich mich in späteren Jahren aber doch, weshalb mir solche Steine in den Weg gelegt wurden. Von ebendieser Bremer Handwerksvertretung.

1938
Vorkriegszeit
Viele Fotos gab es damals ja nicht. Fotografieren war teuer, und man freute sich, wenn man eine einfache, unförmige Fotobox hatte. Das war ein schwarzer Kasten mit einer Linse. Ein Rollfilm ergab 12 Aufnahmen in 6x9 cm. Man konnte das Format aber durch Drehung des Gerätes auf 6x6 cm umstellen. Die Bilder wurden meistens mit Büttenrand gefertigt. Bei Drogerie Elfers in Burg ließ sich die Bildwerdung in einem Wässerungsbecken verfolgen.
Mit einem solchen Apparat wurde ich „geknipst“, als ich mit einem Spieleimer an der Heckenböschung im Garten saß. Ich war etwa zwei Jahre alt. Ein anderes Bild wurde bei einem Fotografen gemacht. Da war ich nett herausgeputzt und hatte ein Auto in der Hand.
Essenfassen muss für mich eine Katastrophe gewesen sein. Ich habe das Brot nicht runtergeschluckt, sondern soll stundenlang mit dem Kloß im Mund herumgesessen sein. Aber verhungert bin ich trotzdem nicht. Aber auch nicht besonders groß geworden. Ist also doch was dran an dem Spruch: »Schön aufessen, dann wirst du auch groß und stark!«

Die Episoden:

Werner, das Sonntagskind??

Vorkriegszeit

Kriegszeit - Kinderzeit

Selbstversorger und Tauschwirtschaft

Fliegeralarm

Kriegsende

Nachkriegswirtschaft

Fußball

Besuch bei Oma und Opa Klages

Der Bücherwurm, der Konfirmand, der Lehrling

Der Reiselustige

Lehrlingszeit

Fußballzeit und Fahrradreisen

Der Betrogene

Die zweite Liebe

Verlobung 

Der Motorroller

Stolze Autobesitzer

Hochzeit und mehr

Meine Erfindung

Die Meisterprüfung

Der Schuhhandel

 

 

 

Streitereien

Aufwärts!! Umbauten

Camping und Kurzreisen

Der große Wurf?

Unser Lebenstraum

Fußball

Ich, der Fiesling

Urlaub in Kärnten

Diagnose, Abmahnung und Klage

Gewinn und Verlust

Ohne Perspektive

Unterschlagung

Das Ende des Traumes

Ich, der Nomade

Noch mehr Familienstreit

Arbeitslos und Frust

Ein gewisser Lichtblick

Zeit zum Heiraten

Noch mal: Hochzeit der Kinder

Enkelkinder

Ein neuer Anfang

Der Schicksalstag 2. September

Aufwind

 

 

 

 

Reisezeit

In die weite Welt

Die baltischen Länder:

Estland, Litauen

Finnland, Trekking im Nationalpark

Trauer

Nordische Länder: Lettland

Lettland und Pakistan:
Unterschiedlicher kann es nicht sein.

Reise in den Himalaja.

Masuren

Nochmals Finnland

Unverständnis

Zweigleisig

Ausgegrenzt?

Baltische Länder: Litauen

Moskau

Dollbergen und Saratow

Moldawien

Ein ereignisreiches Jahr

Konfirmationen

Äthiopien

 

 

Viel Arbeit an der Hütte

Norwegen ohne Bilder

Kurzurlaube

Alles gut?

Noch mal: Streitereien

Einmal noch gemeinsam Urlaub

Endzeit

Zurück zu den Wurzeln.

Noch mal ein Neuanfang

Die Mongolei und Russland

Was kommt noch?