Black is beautiful ist die Fortsetzung von DIE VILLA. Nur der Titel ist englisch.

Klappentext

Juhari ist auf Safari in Afrika. In ihrem bisherigen Leben war sie Villenbesitzerin.

Afrika und seine Bewohner waren immer schon  ihr Traum. Sie liebt die Natur, Gefahr und Erotik.

In der Serengeti  ist sie auf den Pfaden des Afrikaforschers Grzimek unterwegs, besteigt  den Kilimandscharo, wird aus dem Tanganjikasee gefischt  und begleicht die Rettungstat– mit den Mitteln einer Frau.

Noch nie war sie der Erotik abgeneigt. Besonders Farbige haben sie stets beeindruckt.  Als  die Gruppe einige Tage in einem Dorf der Massai verbringt, ist sie so von Hakim und seinem afrikanischen Outfit begeistert, dass sie  mit dem Massai eine Ehe auf Massaisch eingeht. Unter einigen Volksgruppen Afrikas ist Bigamie kein Tabu.

Sie kämpft gegen das Gräuel des Beschneidens und gegen die Bevölkerungsexplosion.

Sie erlebt Zustimmung und Hass.  Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen …

 

Leseprobe von Black is beautiful

Kapitel In der Serengeti


Die Amtssprache in Tansania und Kenia ist Suaheli. Der Guide der Gruppe Dogo. Das ist ein hier traditioneller männlicher Vorname.
Die Tagesetappe ist erfolgreich verlaufen. Die vorige Nacht hat keine nachteiligen Spuren hinterlassen. Außer Judith haben sich die anderen Teilnehmer zum Schlaf zurückgezogen. Judith sitzt noch verträumt am langsam niederbrennenden Feuer. Ob Arnold mal anruft? Würde auch mit ihm gerne in Kontakt bleiben.
Aber Anrufen könnte sie ja geradeso. Ob ihn ihre Abenteuer interessieren? Sie versucht es, bekommt jedoch keine Verbindung. Sie weiß nicht, dass er in der Wüsteneinsamkeit unterwegs ist und ein Empfang dort oft nicht möglich ist.
Sie schaut träumend in die Glut und lässt die vergangene Nacht Revue passieren. Dabei bemerkt sie nicht, dass Dogo in ihre Nähe getreten ist. Scheu steht er etwas abseits. Dann hört sie ein leises, verstohlenes Räuspern. Sie gewahrt den Mann, der ihr vermutlich das Leben rettete. Er ist ein Naturbursche und deshalb auch in der nächtlichen Kühle noch immer in dem aufregenden Outfit seiner Beinahe-Nacktheit.
Die Potenz von Afrikanern kennt sie ja. In ihrer Villa in Deutschland hat sie damit ihre Erfahrungen gesammelt. Kann sich hier wiederholen, was ihr daheim so gefallen hat? Wenn sie an gestern zurückdenkt, als Dogo todesmutig und im Vertrauen auf seine Körperkraft sich dem Untier entgegenstellte, wird sie schwach. Zum Glück war es dann ja nur ein Baumstamm, welcher da herumschwamm. Doch das konnte er im Wasser zunächst nicht ausmachen.
Dogo ist ein beeindruckender Typ, muskulös, breitschultrig, von gedrungener Statur. Ganz im Gegenteil zu den Massai, die gewöhnlich von großem Wuchs sind. Er ist ein echter Schwarzafrikaner, wie er in das  Weltbild Judiths passt. Beide merken dann schnell, dass ein andersartiges Feuer zu brennen anfängt. Dogo kommt herbei und setzt sich zu Judith.
Bisher hatte die Deutsche keine Chance, dem Retter ihre Dankbarkeit zu zeigen. Jetzt ist die Gelegenheit dazu gegeben. Sie darf jedoch keinesfalls den Eindruck erwecken, dass sie eine Malaya wäre. Denn in Afrika und vielen anderen Ländern ist es nicht opportun, dass Frauen die Initiative ergreifen. Es gilt aber als Schönheitsideal, wenn eine Mammy Kleidergröße 48 oder 50 trägt.
Damit kann Judith nun allerdings nicht protzen. Nach afrikanischem Verständnis ist sie ein kleiner, androgyner Junge, wegen ihrer weißen Hautfarbe. Doch deshalb (und nur deswegen) wird sie als reich angesehen. In ihrem Fall stimmt das zwar, andererseits werden die meisten Europiden so eingestuft. An jeder Straßenecke in den Städten, wo Touristen unterwegs sind, erhalten weibliche Touris von Tansaniern Heiratsanträge!
Kann sie bei Dogo unter diesen Voraussetzungen landen?
Doch der Reisebegleiter kennt von seiner Tätigkeit die Bleichgesichter, und außerdem ist er auf Judith hitzig. Darüber hinaus ist er unnachgiebig in dem Glauben, dass die Frau sich für ihre Rettung aus dem See erkenntlich zu zeigen hätte. In Afrika hat der Mann das Sagen.
Wenn er wüsste, dass Judith einem anderen bereits ihre Dankbarkeit bezeugt und abgetragen hat ... und wie sie von ihm denkt ...
Dogo verhält sich weiterhin verschüchtert, denn er befürchtet, seinen Job zu verlieren, sobald er wie ein tansanischer Mann agiert. Das bemerkt auch Judith. Deshalb hat sie keine Wahl, als jetzt doch die Initiative zu ergreifen. Auch für den Fall, dass sie dann in Dogos Augen als Malaya gelten würde.
Wie aus Versehen berührt sie dessen Oberschenkel. Ganz nach der Art, wie sie Erwin seinen wertvollen Anhang wieder gesäubert hatte.
Dogo ist überrascht, dann crazy. Spontan zeigt sich bei ihm eine ererbte Erregtheit. Er ist es gewohnt, sich in der Natur vorwiegend nur mit einem Lendenschurz zu bewegen. So hat Judith leichtes Spiel.
Ein Vorspiel schenkt sie sich. Das ist in Tansania weitgehend unüblich. Wenn eine Lanze auf Angriff getrimmt ist, folgt der Stich, und schon ist alles vorbei. Nicht jedoch unter Judith`s Regie. Sie hat sich vor der Reise informiert.
Das Lendentuch liegt bereits im Gras. Ihre Verteidigungsstellung hat sie aufgegeben. ehrenvoll unterliegen als schmählich flüchten. Man ist erst am Anfang der Safari.
Der Abend ist noch immer angenehm temperiert, ja schwül warm. Sterne glitzern und der fast volle Mond schickt sein diffuses Licht über die Lichtung.
Judith hat schon so manchen Kampf ausgefochten, aber an einem Lagerfeuer in afrikanischer Nacht noch nie–das ist Spitze!
Die Waffe trifft Judith unvermittelt. Und da der Krieger meint, die Amazone tödlich getroffen zu haben, will er den Fight beenden. Da ist er bei Judith an der falschen Adresse. Sie wird ihm zeigen, dass eine deutsche Frau nicht so leicht zu besiegen ist.
In einem weiteren Waffengang wird die totgeglaubte zur Furie. Dogos Haut glänzt. Er hat sich wohl gegen Moskitostiche eingeölt, nicht jedoch mit einer Gegenattacke gerechnet.
Tod oder Leben – jetzt hat Judith das Sagen. Dogo hat noch nie erlebt, dass ein Weib ihn besiegte. Heute hat er es zu erdulden.
Der Baumstamm, hier ihre Sitzgelegenheit, ersetzt ein gutes Turngerät. Er ist zwar nicht mit dem Rondell oder dem Schwebebalken in ihrer Villa daheim zu vergleichen, doch ganz akzeptabel.
Der Guide ist außergewöhnlich gelenkig. Als er sich zurückbeugt, berühren die Schultern den Boden. Seine Waffe wird in Stellung gebracht, um Judith erneut zu attackieren. Im Kampfgetümmel verlieren die Kämpfer den Überblick. Das ist es, was der Marketenderin gefehlt hat.
Erwin bemerkt am Morgen wieder dieses zufriedene Grienen in Judith`s Gesicht. Er hatte doch keinen Kontakt zu ihr in der Nacht. Soll das ein Versprechen sein? Oder gibt es außer ihm jemanden, der sich mit ihr vergnügt? Erwin wird eifersüchtig.
Die Zelte werden abgebaut, und weiter geht der Marsch. Die Gruppe gelangt jetzt in die Gegend, wo sich gewöhnlich die an den Menschen gewöhnten Schimpansen aufhalten. Manchmal sind sie nicht auffindbar, doch gelegentlich kommen die dem Homo sapiens verwandten Tiere in die Nähe von Touristen. Sie sind dann neugierig und hoffen, Futter zu erhalten, ohne sich selber bemühen zu müssen.
Diese so oft verkannten und zu Versuchszwecken missbrauchten Lebewesen sind äußerst intelligent. Sie erkennen genau, wann Gefahr droht. Dann verziehen sie sich auf die Bäume und warnen, sogar Menschen.
Der Guide hat etwas bemerkt. Er weist seine Schutzbefohlenen an, sich besonders still zu verhalten.
Elefanten queren ihren Trampelpfad. Es ist ein überschaubarer Trupp. Eine ältere Leitkuh und drei erwachsene, noch junge Kühe sind mit mehreren Kälbern unterwegs. Bullen stoßen immer nur zur Paarungszeit auf die Herden, sonst sind sie Einzelgänger oder leben in männlichen Gemeinschaften.
Die gewaltigen Tiere haben die Menschen offenbar nicht wahrgenommen, denn die Witterung steht ungünstig für sie. Dennoch müssen die Touristen sich äußerst vorsichtig verhalten, weil die intelligenten Elefanten ein außerordentlich gutes Gehör haben und sehr gefährlich reagieren können. Besonders dann, wenn sie Nachwuchs haben. Nur Menschen sind ihre Feinde, wegen der wertvollen Stoßzähne.
Erst als die Elefantengruppe außer Sicht ist, setzen die Safariteilnehmer ihre Tour fort. Heute müssen sie das erste Dorf erreichen. Dort werden sie mit neuen Nahrungsmitteln versorgt. Von da nimmt man auch einen zweiten Guide mit, der sich in Savanne und Wald noch besser auskennt. Er ist ein ausgesprochener Experte im Aufspüren und erklären von Fährten, sodass zu erwarten ist, manches scheue Tier der Steppe beobachten zu können.
Eine weitere große Gefahr wurde im offenen Gelände mit Glück und Umsicht umgangen; Schlangen, die in der Sonne auf Lauer liegen. Gewöhnlich verschwinden die zwar im Gebüsch, sobald sie anhand der Bodenerschütterung bemerken, dass das mögliche Fressopfer doch zu groß für sie ist. Wenn der Mensch oder andere Lebewesen jedoch schleichen, kann es sein, dass das Reptil die Gefahr nicht erkennt, da Schlangen nicht gut sehen können. Dann beißen sie zu, und das ist oft tödlich.
Außer Elefanten und Reptilien gewahrte man dank des neuen Guides aber auch schlanke Oryx Antilopen. Die tragen zu langen Spießen gewachsene Hörner. Man sah Gnus mit massigen, gedrungenen Körpern und wie Sicheln geformten Brauschen. Und flinke, kleine DikDiks.
Dazu eine Vielzahl von Vögeln, deren Namen man sich nicht alle merken kann. Pfirsichköpfchen sind eine Papageienart, der gelbe Maskenweber, der ein dunkles Gesicht hat. das Schwarzköpfchen, wie sein Name sagt, mit schwarzem Kopf, aber gelber Brust und grünem Bauch, auch mit einem Papageienschnabel. Ebenso die Angolaturteltaube, gerne am Wasser lebend, den Lappenstar, einen Madenpicker auf großen Wildtieren, noch einen Madenhacker, den Braunkopfliest, der einen langen Schnabel und bunten Körper besitzt. Eine Menge anderer Vögel schwirrt hier herum, welche die Savannen Tansanias wunderbar beleben.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen Judith und ihre Begleiter den Kral. Die Bewohner freuen sich über jeden Besucher, weil damit ein extra Verdienst verbunden ist. Und der wird solidarisch unter sämtlichen Dorfbewohnern aufgeteilt.
Schwere Feldarbeit bringt wegen zunehmender Trockenheit immer weniger Ertrag. Davon lässt sich kaum noch leben. Geldeinnahmen sind vorwiegend durch Übernachtungsgäste und Führungen zu erzielen. Deshalb ist sanfter Tourismus so wichtig.
Der zweite Guide bietet für heute Nacht eine Exkursion an, auf der man Großtiere an der Tränke beobachten könnte. »Irgendjemand Lust, dabei zu sein, trotz des anstrengenden Tages?« ragt er seine Leute.
Judith möchte schon, doch alleine mit ihm? Sie hat zwar keine Angst vor unbekannten Figuren, aber lieber wäre ihr, wenn sich aus der Gruppe jemand findet. Ja, und dann melden sich die Schwertfegers, das Lehrerehepaar. Und damit erklärt sich auch, weshalb er immer so schweigsam ist: Der Mann ist passionierter Waidmann daheim, und wenn man auf Pirsch ist, hat man tunlichst seinen Babbel zu halten. Das ist ihm im Laufe der Jahre so ins Blut übergegangen.
Das passt ja gut, diese Vierergruppe. Ein Naturkenner, zwei Jäger und Marion. Ja, zwei Nimrods, denn Judith ist ebenso auf Jagd, wenn auch nicht auf wilde Tiere.
Man kennt es ja bereits, dass abends die Feuer angezündet werden. Bisher machte das Sinn, weil kein Strom für Licht oder zum Kochen zur Verfügung stand. Jetzt hält die Solartechnik nach und nach selbst in entlegenen Dörfern Einzug und bringt gewissen Fortschritt. Somit wird erreicht, die Wälder vor Abholzung zu bewahren. Gleichzeitig wird einer zusätzlichen Austrocknung der Landschaft entgegengewirkt. Das Wissen über diese Zusammenhänge ist unter den Einheimischen leider bislang nicht weit verbreitet.
Der Reisegruppe wird vom Dorfältesten eine geräumige Rundhütte zugewiesen. Schlafen wird man auf Holzgestellen, worauf eine Lage getrocknetes Gras liegt. Jeder Träumer bekommt dazu ein Moskitonetz, denn nachts sind diese fliegenden Viecher besonders aktiv.
Die Waschgelegenheit ist eine Dusche. Aus einem in einem Baum hängenden Wasserkanister. Komfort ist hier nicht angesagt. Man ist auf Safari.
Die Dorfbewohner säubern sich auf gleiche Weise. Männer und Frauen mitsamt den Kindern. Und die Weiber sind barbusig. Das ist hier so üblich. Trotzdem erkrankten Erwin und Konsorten an Stielaugen.
Wegen der nächtlichen Pirsch teilt sich die Gruppe. Diejenigen, die nicht mitwollen, sitzen um das Dorffeuer, die anderen machen sich auf den Pfad, Löwen, Zebras, Gnus und Hyänen vor die Kamera zu bekommen. Denn mit einer Flinte schießen ist strengstens verboten. Die Tiere stehen allesamt auf der Schutzliste, und die Eingeborenen sind selber daran interessiert, dass der Wildbestand erhalten bleibt. Denn das ist ihr Pfand für den Tourismus.
Schwertfeger schleppt eine große Fotoausrüstung mit sich herum. Schwere Tele, kleine Weitwinkel und andere Objektive, die sich besonders für Tierfotografie eignen. Judith begnügt sich mit ihren Augen. Die Ausbeute ist sehr gut. Schwerdtfeger ist zufrieden. Es war eine gelungene Exkursion.
Am folgenden Morgen bricht die Gruppe zur nächsten Etappe auf. Das Übernachtungsdorf ist ebenfalls auf ihr Kommen vorbereitet. Hier wird sie ein Geschichtenerzähler am Lagerfeuer unterhalten. Judith freut sich drauf. Dogo wird übersetzen.
Afrikanische Geschichten sind stets aus dem Leben gegriffen. Darauf ist die gesamte Gemeinschaft, nicht nur die Weißen, außerordentlich gespannt.
Nach einer weiteren anstrengenden Etappe werden die Traveller traditionell vom Dorfältesten begrüßt. Das ist aufgrund seines Alters stets eine Respektsperson. Anders als in westlichen Ländern, wo Traditionen und Betagtheit von der Jugend zunehmend nicht mehr respektiert sind.
Die Dorfgemeinschaft findet sich zu einem Tanz zu Ehren der Gäste um das obligatorische Feuer zusammen, das im Mittelpunkt der im Kreis errichteten Hütten lodert.
Mehrere frisch erlegte DikDiks, über Holzfeuer gegrillt, dazu Salate aus unbekannten, aber schmackhaften Kräutern, füllen den hungrigen Magen. Als Getränk wird etwas angeboten, was aussieht wie Wasser, aber brennend wie Schnaps durch die Kehle rinnt. »Ist gut gegen Moskitos,« sagt der Dorfälteste.
Der Geschichtenerzähler hatte sich einen Mantel aus gegerbten Tierfellen umgelegt, der auch seine Füße umhüllte. Dazu trug er eine Art Turban, was er sich wohl von Arabern abgekupfert hatte. vergangenen Zeiten begann er von einer Kaffern-Kindergeschichte zu berichten:
»Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die hatten zwei Kinder. Einen Knaben und ein Mädchen. Da die Mutter der Kinder aber eine Kannibalin war, hatte der Vater beide gleich nach ihrer Geburt zu ihrem Großvater geschickt. Bei dem lebten sie und wuchsen auf. Als sie nun groß waren, sprachen sie eines Tages zu dem alten Mann:«
»Wir sind lange genug hier gewesen; es verlangt uns heimzugehen, um unsere Eltern zu sehen.«
Der Großvater antwortete:
»Werdet ihr auch zurückkommen? Ihr wisst doch, dass eure Mutter eine Menschenfresserin ist?«
Die Kinder aber blieben bei ihrem Vorsatz, und so willigte der Alte schließlich ein und ließ sie ziehen. Doch ehe sie sich auf den Weg machten, warnte er sie noch und sprach:
»Seht zu, dass nur euer Vater um eure Anwesenheit wisse und nicht eure Mutter. Meidet sie!«
Als die Sonne untergegangen war, sagte Kinazinei, der Knabe, zu seiner Schwester:
»Lass uns nun aufbrechen, meine Schwester; denn der Weg ist weit.«
Die ganze Nacht über schritten sie rüstig vorwärts und erreichten ihres Vaters Hütte kurz vor Sonnenaufgang. An der Tür der Hütte blieben sie stehen und horchten, ob sie der Mutter Stimme hören würden. Als sie sicher waren, dass nur der Vater daheim war, öffneten sie und traten ein. Kaum sah der Vater seine Kinder, als er vor Entsetzen die Hände zusammenschlug und ausrief:
»O meine Kinder, warum seid ihr hierhergekommen? Wisst ihr denn nicht, dass eure Mutter eine Kannibalin ist? Sie wird euch töten, wenn sie euch hier findet.«
Während er noch so redete, hörte man einen gewaltigen Lärm wie das Rollen von Donner; das war das Nahen der Menschenfresserin. Schnell nahm der Mann seine Kinder in einen entlegenen Winkel der Hütte, bedeckte sie mit Fellen und gebot ihnen, sich ganz ruhig zu verhalten. Kaum hatte er sie auf diese Weise sorgfältig versteckt, als die Mutter eintrat. In der einen Hand hielt sie ein Tier, in der anderen den toten Körper eines Mannes. Plötzlich stand sie still, und mit rollenden Augen in dem Raume umherspähend, sprach sie:
»Hier ist etwas, das gut riecht! Ich glaube, meine Kinder sind hier.«
Doch ihr Mann antwortete:
»Du träumst! Wie sollten deine Kinder hierherkommen!«
Sie aber beruhigte sich nicht, sondern ging von Ecke zu Ecke, immer dem Geruche nach. Als sie zu den Fellen kam, hob sie dieselben hoch und fand die Kinder.
»Es tut mir leid um euch, meine Kinder, euch hier zu sehen,« sagte sie traurig, »denn mein Gelüst nach Menschenfleisch ist zuzeiten so groß, dass ich selbst meine eigenen Kinder nicht schonen kann.
Ihr hättet nicht herkommen sollen; denn ihr wusstet, dass ich eine Menschenfresserin bin.«
Darauf bereitete sie für ihren Mann und die Kinder das Tier zum Essen, für sich aber den toten Mann. Als es nun Abend geworden war, legten sie alle sich schlafen. Der Vater aber nahm die Kinder schnell beiseite und sagte:
»Gebt wohl acht. Ihr werdet im Magen eurer Mutter Menschen tanzen, wilde Tiere brüllen und Hunde bellen hören. Dann wisset, dass sie schläft. Steht alsbald leise auf und geht eilends fort; denn wenn sie euch morgen früh sieht, wird sie euch verschlingen.«
Es währte denn auch gar nicht lange, so hörten sie einen entsetzlichen Lärm in dem Magen ihrer Mutter. Hurtig standen sie auf und machten sich auf den Rückweg. Um Mitternacht erwachte das Weib und ward sehr zornig, als es fand, dass die Kinder fortgegangen waren. Schnell stand es auf, nahm eine Axt und folgte ihnen. Als die Kinder hinter sich sahen, gewahrten sie mit Schrecken ihre Mutter, die ihnen schon ganz nahegekommen war. Sie waren zu müde, um schnell rennen zu können, und fürchteten sich sehr. Schließlich sagte der Knabe zu dem Mädchen:
»Vielleicht werden unsere Tränen und Bitten unsere Mutter rühren. Lass uns stehen bleiben und sie erwarten.«
Doch das Mädchen erwiderte:
»Sie ist hungrig und wird weder unserer Tränen, noch unserer Bitten achten.«
Doch der Knabe beharrte:
»Lass es uns versuchen.«
Bald war die Kannibalin ganz nahegekommen; da fingen die Kinder an, laut zu klagen und um ihr Leben zu flehen. Und wirklich wurde die Frau gerührt davon und kehrte um. Als sie in ihre Hütte trat, ergriff sie ihren Mann, um ihn zu töten und zu essen; denn sie war sehr hungrig. Doch der wehrte sich und rief:
»Ho, ho, wenn du mich tötest, wer ist denn dann dein Mann?«
Da ließ sie ihm das Leben, machte sich aber sofort wieder auf den Weg, um ihre Kinder erneut zu verfolgen. Nahe bei dem Dorf ihres Großvaters holte sie die ein und verschlang beide. Dann ging sie in das Dorf und verspeiste auch Männer, Frauen und Kinder und schließlich auch alles Vieh, welches sich vorfand. Gegen Abend begab sie sich auf den Heimweg. Als sie durch ein tiefes Tal kam, sah sie von weitem einen schönen, bunten Vogel. Der wuchs zusehends und war schließlich so groß wie ein Haus. Als die Frau ganz nahegekommen war, fing der Vogel an mit lauter Stimme zu singen:
»Ich bin der schönste Vogel dieses Tales; warum kommst du, mich zu stören?«
Während er so sang, kam er langsam schrittweise näher und nahm schließlich der Frau ihre Axt fort; dabei sang er immerzu. Die Kannibalin fing an, sich zu fürchten, und sprach:
»Vogel, gib mir meine Axt wieder, ich will dein Fleisch ja nicht!«
Da riss der Vogel ihr einen Arm aus. Sie schrie laut auf vor Schmerz und sprach:
»Vogel, gib mir, was mein; gib mir zurück, was du mir genommen hast; dann will ich weitergehen.«
Doch der Vogel schien sie gar nicht zu hören, sondern sang immer denselben alten Sang:
»Ich bin der schönste Vogel dieses Tales!«
Da rief die Frau wieder mit lauter Stimme:
»Vogel, gib mir wieder, was du mir genommen hast! Ich muss heimgehen zu meinem Mann und für ihn kochen!«
Da riss ihr der Vogel ein Bein aus, sodass sie zur Erde fiel. Der Vogel aber sang weiter und weiter die nämlichen Worte. Als die Frau sah, dass ihr Leben in Gefahr war, sann sie auf eine List, um zu entkommen.
»Vogel,« sprach sie, »du kannst nicht gut singen. Ich will dich singen lehren, wenn du mir wiedergibst, was mein, und mich gehen lässt.«
Da breitete der Vogel seine Flügel aus und riss ihr mit seinem Schnabel den Magen auf. Aus dem Magen aber kamen hervor alle Leute und alles Vieh, das die Frau in den letzten Tagen verschluckt hatte. Und sie selber starb unter großen Schmerzen. Ihre eigenen Kinder kamen auch wieder zum Vorschein, und die anderen Leute machten sie zu Herren des Landes.
»Denn,« sprachen sie, »durch euch sind wir wieder zum Leben zurückgekommen; ihr habt uns alle gerettet.«
Das Mädchen heiratete einen mächtigen Häuptling und Kinazinei die Tochter eines Häuptlings.

Die Zuhörer sind tief ergriffen von der Erzählkunst des Mannes. Es sind nicht wenige, die davon überzeugt sind, dass es früher wahrhaftig Kannibalen gab. Auch ist nicht auszuschließen, dass man diese Mär erfunden hat, weil es wirklich Löwen gibt, die zu Menschenfressern geworden sind. Denn manche der Raubtiere hatten erkannt, dass ein Mensch zu einer leichten Beute werden kann.
Im Mahale-Nationalpark leben neben den intelligenten Schimpansen auch die Könige der Tiere. Ebenso sind Büffel, Schakale und eine große Vogelvielfalt auf der Pirsch zu erleben. In der Trockenzeit versammeln sich an den letzten Wasserlöchern Zebras, Antilopen und Gnus. Sie werden dort von Krokodilen erwartet.
Ein weiterer ereignisreicher Tag wurde mit einem vergnüglichen Abend beendet. Selbst Judith hatte heute keine zusätzlichen Ambitionen. Die Afrikareise wird ja noch lange dauern, sagt sie sich. Sollte man es als Katastrophe bezeichnen, wenn sie vor Müdigkeit auf die Schlafstatt fällt und keinerlei Gedanken mehr hat auf Mann?
Wenn Schimpansen der Liebe frönen, dürfen die Beteiligten der Safari das ebenfalls, meint Judith. Hat sich ja bereits zweimal den Luxus gegönnt.
Es ist enorm anstrengend, durch den ursprünglichsten der Nationalparks Tansanias einen Fußmarsch zu unternehmen. Sollte sich trotz bester Planung herausstellen, dass die Kräfte der Gruppe nicht reichen, könnte man immer noch auf Kamele oder auch Landrover zurückgreifen. Wenn auch die Massai und ihre nahen Verwandten, die Makonde, in ihren Reservaten zumeist ohne Reittiere unterwegs sind, haben sie doch mittlerweile die Vorzüge dieser Tiere erkannt.
Safarijäger sind aber keine Weicheier! Mehrere Tage im Busch und der offenen Savanne stehen den Touristen noch bevor. Sie werden den Nationalpark in einem weiten Bogen erkunden und dann zum Ausgangspunkt zurückkehren. Entfernungen sind es , die zurückzulegen sind.
Es sind gut betuchte und körperlich leistungsfähige Teilnehmer, die sich zusammengefunden haben. Und sie haben sich auch die längste und schwierigste Variante der Reise ausgesucht.
Am nächsten Morgen startet die Gruppe weit vor Sonnenaufgang. Es ist die beste Zeit, um Tiere zu beobachten. Die Vielfalt der Vogelwelt ist zu der Uhrzeit in ihrer schillerndsten Pracht zu sehen. Schlangen kann man dann entdecken, wie sie sich von der aufsteigenden Sonne aus der Nachtstarre aufwärmen lassen. Zu dem Zeitpunkt sind die Gift-oder Würgetiere noch ungefährlich.
Alle sind begeistert. Zunächst streunt man weiter durch den Busch, später in der offenen Graslandschaft.
Linker Hand sieht man die mehr als 2000 mtr. hohen Berge des Parks, die aber nicht das Ziel der Gruppe sind. Doch von da oben müsste man einen herrlichen Blick über die Wälder und den zweitgrößten See Afrikas haben. Der Tanganjikasee ist der Tiefste im ostafrikanischen Grabenbruch mit 1.470 Metern.
Schimpansen wurden bisher nicht gesichtet. Die halten sich eher in den urwüchsigen Bergwäldern auf. Leider aber werden die mehr und mehr abgeholzt. Damit wird der Lebensraum der Primaten immer weiter eingeengt.
Dorthin, an den Fuß der Gebirgsstöcke, wird man morgen gelangen. Heute wird ein zentral gelegenes Wasserloch besucht, in einer Senke, wohin viele Tierarten zur Tränke kommen.
Da ist besondere Vorsicht geboten. Tagsüber, in der größten Hitze, dösen die gigantischen Raubtiere im Schatten von Felsen oder Bäumen. In der Dämmerung schleichen sie sich an, um ein saftiges Mahl zu erlegen. Da ist dann auch die Safarigruppe in Gefahr. Selbst Wissenschaftlern ist es ein Rätsel, wie Krokodile dahin gekommen sind. Die Tränken haben doch keine Verbindung zu Flussläufen. Früher vielleicht?
Die Gruppe wird von erfahrenen Guides geleitet. Die verstehen es aufgrund ihrer Naturverbundenheit, Menschen von Löwen, Geparden, Leoparden und Schakalen fernzuhalten. Und weil der Trupp zu Fuß unterwegs ist, haben sie beste Chancen, die Savannentiere an der Tränke zu beobachten. Die werden nicht durch Autolärm- und Staub vergrämt. Es ist ein herrliches Erlebnis, in der Abenddämmerung eine wild lebende Tierwelt auszuspähen.
Einige Meilen wird die Gruppe nach diesem Abenteuer bis zu einem von Dornengebüsch umfassten Eingeborenendorf noch zurückzulegen haben. Dort erwartet die Touristen ein Mahl mit saftigem Büffelfleisch. Wenn aber keine Safarigruppe den Kral aufsucht, haben die Bewohner nicht solch ein Festessen.
Die Mahlzeit und die Nachtruhe werden neue Kraft für den nächsten Tag bringen.
Selbst die sonst so zweisamkeitsbedürftige Judith denkt zur Zeit nicht an kraftraubende Sonderaktivitäten. In Tansania erinnert sie sich nur gelegentlich an ihren angetrauten Mann. Sie hat weitere um sich, die sie verwöhnen könnten. Was ihr Arnold auf der arabischen Halbinsel treibt, ist ihr auch recht egal. Weiterhin gibt es keinen Mobilfunkkontakt. Die hohen Berge schirmen offenbar den Empfang ab.
Der tansanische Guide bemerkt, dass auch die anderen auf diese Judith abgefahren sind. Es überkommt ihn ein Gefühl der Eifersucht. Dass die Bwana Erwin ihren Dank zur Rettung bereits abgestattet hat, weiß er nicht.
Einheimische ist nur der Führer der Gruppe und verdient sein Geld damit. Ein Anrecht auf Judith darf er sich nicht ausrechnen. Und doch trachtet er danach, sie tiefer in die Geheimnisse afrikanischer Liebe einzuweisen.
Nach den anstrengenden Tagen in der Savanne hat jedoch niemand eine Chance bei der Deutschen. Sobald die vor Fett triefenden Fleischstücke des Büffels verzehrt sind, verzieht sich die Spezies Mensch auf die Schlafgestelle und versinkt ins Reich der Träume.

Dogo hat Halluzinationen von wilden Tieren, denn die hat er täglich um sich. Und Judith erscheint ihm als ganz großes Kino, wie er ihr seine Lanze ins Blatt bohrt. In der Fantasie ist die Weiße eine Löwin, gegen die er sich zu wehren hat. Um nicht selber umzukommen, sticht er immer wieder zu, bis das Raubtier endlich besiegt ist. Dabei erwacht er und bemerkt, dass ihm in tatsächlich ein Speer zur Verfügung steht.
Da überkommt ihn körperliche Lust. Es ist Frühling. Eine unbändige Kraft treibt ihn.